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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.09.2006
Aktenzeichen: 3 UF 85/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, FGG
Vorschriften:
BGB § 1632 Abs. 4 | |
ZPO § 517 | |
ZPO § 520 | |
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 3 | |
ZPO § 621 e Abs. 1 | |
ZPO § 621 e Abs. 3 | |
FGG § 50 b Abs. 1 |
Tenor:
Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Olpe vom 06. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gründe:
Die Kinder C und S entstammen einer nichtehelichen Beziehung der 1967 geborenen Beschwerdeführerin zu T2 in Q2. Die Mutter, die das Gymnasium nach dem 10. Schuljahr verließ und nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, heiratete 1988. Im selben Jahr wurde ihr Sohn E geboren, der bei seinem Vater und später bei dessen Eltern aufwuchs. Jedenfalls seit dem 10. Lebensjahr E unterhält die Beschwerdeführerin keinen Kontakt mehr zu ihm; ihre Ehe mit dem Kindesvater wurde 1992 geschieden. Im Jahre 2001 lernte sie den als Hausmeister tätigen T2 kennen, in dessen Wohnung sie einzog. Aufgrund von Gewalttätigkeiten fand die Beschwerdeführerin mit beiden Kindern, für die sie allein sorgeberechtigt ist, am 01.12.2004 erstmals Aufnahme im Frauenhaus in J. Sie kehrte am 31.12.2004 zu ihrem Freund zurück. Ende Januar 2005 nahm sie mit den Kindern wieder Zuflucht in dieses Frauenhaus. Anfang März 2005 wurden beide Kinder stationär im Krankenhaus behandelt, S infolge eines Sturzes aus einem Kindersitz. Nach der Rückkehr beider Kinder zur Mufter am 09.03.2005 stellten Mitarbeiterinnen im Frauenhaus Unzulänglichkeiten in der Versorgung der Kinder fest und äußerten angesichts ihres erhöhten Alkoholkonsums den Verdacht auf eine Suchtproblematik. Die Beschwerdeführerin, die sich selbst mit der Betreuung beider Kinder überfordert sah, stellte daraufhin einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung. Unter dem 16.03.2005 teilte die Leiterin des Frauenhauses gegenüber dem Jugendamt der Stadt Q2 mit, die Situation habe sich zugespitzt, so dass noch vor dem Wochenende eine Inobhutnahme erfolgen solle. Beide Kinder wechselten daraufhin am 19.03.2005 in den Haushalt der Pflegeeltern P2 in P, in dem sie sich bis heute befinden.
Bei den folgenden kinderärztlichen Untersuchungen, beginnend am 21.03.2005, wurden bei C u.a. deutliche Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten festgestellt, insbesondere mangelndes Sprachvermögen, nicht altersgerechte Feinmotorik und nicht altersgerechtes Essverhalten sowie Anfälle von Jähzorn. Die Kinderklinik T attestierte am 29.11.2005 bei S noch eine statomotorische Entwicklungsverzögerung und bei C eine leicht grobmotorische Koordinationsstörung. Die Mutter wohnt seit dem 01.05.2005 allein in J; die Beziehung zum Kindesvater ist beendet. Die Besuchskontakte mit den Kindern, die zumeist in P in den Räumlichkeiten eines Gemeindehauses stattfinden, nimmt sie regelmäßig wahr. Sie steht ferner in ständigem Kontakt zum Jugendamt der Stadt J, bei dem sie auch einen Antrag auf familienunterstützende Erziehung gestellt hat. Darüber hinaus hat sie an "Selbsthilfegruppen" des Blauen Kreuzes und der Guttempler teilgenommen und sich in eine psychotherapeutische Behandlung in der Beratungsstelle für Frauen und Mädchen ... in J begeben. Schon in einem Hilfeplangespräch vom 25.07.2005 äußerte sie den Wunsch, die Kinder zu sich zurück zu holen.
Die Pflegeeltern haben behauptet, die Mutter leide nach wie vor an einer Alkoholproblematik, was sich z.B. daran zeige, dass sie noch im Juli 2005 Spirituosen (,'kleine Schnapsflaschen") bei sich gehabt habe. Sie sei weiterhin nicht in der Lage, sich mit beiden Kindern gleichzeitig zu beschäftigen oder auch nur deren körperliche Sicherheit zu gewährlöisten. C und S hätten binnen kurzer Zeit enge Bindungen zu ihnen, den Pflegeeltern, entwickelt und erlitten schweren seelischen Schaden, wenn sie nunmehr zur Mutter zurückkehren müssten. Erst recht könne die Mutter die negativen Folgen einer eventuellen Traumatisierung der Kinder durch die Trennung von ihnen nicht gering halten, zumal die Kinder eine erneute Trennung von ihren Hauptbezugspersonen nicht verkraften könnten.
Unter dem 26.09.2005 haben die Pflegeeltern beantragt,
gemäß § 1632 Abs. 4 BGB das Verbleiben beider Kinder bei ihnen anzuordnen.
Die Kindesmutter hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat ihrerseits unter dem 29.09.2005 beantragt,
die Herausgabe der Kinder anzuordnen.
Die Pflegeeltern haben beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Kindesmutter hat betont, es gehe ihr nicht um eine sofortige Rückführung C und S, sondern um eine solche, die den Belangen der Kinder Rechnung trage. Allerdings stimme sie einem endgültigen Verbleib der Kinder in der Pflegefamilie nicht zu, zumal sie nur die Einwilligung zu einem vorübergehenden Aufenthalt bei der Familie P2 gegeben habe. Sämtliche Vorgaben des Jugendamtes der Stadt J für eine Rückkehr der Kinder in ihren Haushalt habe sie sodann in der Folgezeit erfüllt. Die Mutter hat ferner behauptet, sich Ende 2004/Anfang 2005 in einer problembeladenen Situation befunden zu haben, die nunmehr überwunden sei. Sie habe lediglich im Hinblick auf körperliche Schmerzen, u.a. wegen der durch T2 erlittenen Kiefer- und Rippenfrakturen, verstärkt Tabletten und Alkohol zu sich genommen. Sie sei durchaus in der Lage, beide Kinder zu erziehen. Im Übrigen stünden professionelle Hilfen im Umfang von 20 Wochenstunden bereit. Die Beschwerdeführerin hat schließlich die Vermutung geäußert, den Pflegeeltern gehe es letztlich darum, die Kinder adoptieren zu können.
Das Jugendamt der Stadt J hat sich bereits erstinstanzlich für eine Rückführung der Kinder in den Haushalt der Mutter - und zwar ohne vorherige Einholung eines Gutachtens - ausgesprochen. Dem stehen die Stellungnahmen des Jugendamtes des Kreises P entgegen, das darauf verwiesen hat, die in den Hilfeplangesprächen erörterten Voraussetzungen für eine Rückführung, nämlich die Bewältigung der Alkoholproblematik und das Erlernen eines verantwortungsvollen Umgangs mit zwei Kleinkindern, seien nach wie vor nicht erfüllt.
In dem Termin vom 20.10.2005 vor dem Familiengericht hat die Kindesmutter ihre Zustimmung zu einem Verbleib der Kinder in der Pflegefamilie für die Dauer des Verfahrens erteilt. Am selben Tage hat das Gericht die Sachverständige L2 aus L mit der Erstellung eines Gutachtens u.a. zu den Fragen der Erziehungsfähigkeit der Mutter und der Kindeswohlgefährdung infolge einer Rückführung der Kinder in ihren Haushalt beauftragt. Die Kindesmutter hat ein Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin C2 in J vom 081 1.2005 vorgelegt, wonach bei ihr "derzeit kein Hinweis auf eine Alkoholkrankheit" bestehe.
Unter dem 24.12.2005 hat die Sachverständige ihr schriftliches Gutachten erstattet. Darin gelangt sie zu dem Ergebnis, dass sich die Kindesmutter nur unzulänglich in die Belange und Bedürfnisse der Kinder einfühlen könne und ihrem eigenen Verhalten in der Vergangenheit wie auch ihrer Alkoholproblematik unkritisch gegenüber stehe. Eine Trennung der Kinder vön der Pflegefamilie und die Rückführung in die Obhut der Mutter bedeute für die Kinder die Gefahr akuter psychischer Folgen wie auch langfristiger Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsentwicklung.
Mit Beschluss vom 06.02.2006 hat das Familiengericht den Verbleib der Kinder in der Pflegefamilie angeordnet und den Antrag der Mutter auf Herausgabe zurückgewiesen.
Dabei hat es die Frage der Erziehungsfähigkeit der Mutter dahin stehen lassen und die Entscheidung darauf gestützt, dass eine Trennung von den Pflegeeltern angesichts der entstandenen engen Bindungen eine Gefährdung des Kindeswohls bedeute.
Gegen die ihr am 13.02.2006 zugestellte Entscheidung hat die Kindesmutter am 16.02.2006 eingehend Beschwerde eingelegt und sie am 29.03.2006 begründet. Sie ist der Auffassung, die Entscheidung verletze ihr Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass eine Gefährdung des Kindeswohls, deren Eintritt überhaupt zu bestreiten sei, durch mildere Maßnahmen als durch den Verbleib in der Pflegefamilie abzuwenden sei. Letztlich habe das Familiengericht nach dem unzulässigen Maßstab, wo die Kinder die besseren Erziehungsvoraussetzungen vorfänden, entschieden. Die Beschwerdeführerin verweist des Weiteren darauf, unverschuldet nicht in der Lage gewesen zu sein, ihre Kinder während des Aufenthalts im Frauenhaus im Frühjahr 2005 zu betreuen, weil sie neben einer Lungenentzündung u.a. an einer doppelten Kiefer- sowie an einer Rippenfraktur gelitten habe, die ihr durch die Gewalttätigkeiten ihres damaligen Lebensgefährten zugefügt worden seien.
Die Pflegeeltern verteidigen den Beschluss. Sie behaupten, die Kindesmutter habe ihre Alkoholproblematik nach wie vor nicht ausreichend behandelt. Die Besuchskontakte zeigten überdies, dass sie nicht in der Lage sei, beiden Kindern ihre Aufmerksamkeit gleichermaßen zuteil werden zü lassen. Vielmehr finde S neben dem lebhafteren C kaum noch Beachtung. Beide Kinder beanspruchten ihre Bezugspersonen in besonderem Maße. Die Kindesmutter, die diese Situation nicht erkenne, sei keinesfalls in der Lage, diesem erhöhten Betreuungs- und Erziehungsbedarf gerecht zu werden.
Der Senat hat nach einer Anhörung der Beteiligten und einer mündlichen Erläuterung ihres Gutachtens durch die Sachverständige Klitzschmüller mit Beschluss vom 30.05.2006 ein ergänzendes Gutachten der Dipl.-Psychologin I aus C3 eingeholt, das unter dem 10.08.2006 erstellt worden ist. In der Verhandlung vom 05.09.2006 hat die Sachverständige I dieses Gutachten erläutert. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung der Beteiligten und der Ausführungen beider Sachverständiger wird auf die Berichterstatter-Vermerke Bezug genommen.
Die Verfahrenspflegerin hat sich für einen Verbleib der Kinder in der Pflegefamilie ausgesprochen.
Die nach §~ 621 Abs. 1 Nr. 3, 621 e Abs. 1, 3, 517, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Zu Recht hat das Familiengericht das Verbleiben beider Kinder in der Pflegefamilie nach § 1632 Abs. 4 BGB angeordnet.
Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Regelung besteht, weil die Beschwerdeführerin das Ziel verfolgt, die Kinder wieder in ihre Obhut zu nehmen.
1.1
§ 1632 Abs. 4 BGB, der die Möglichkeit einer Verbleibensanordnung und damit den Fortbestand der Trennung elnes Kindes von seinen Eltern oder einem Elternteil vorsieht, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das grundgesetzlich geschützte Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG (BVerfGE 68, S. 176ff.).
§ 1632 Abs. 4 BGB setzt zunächst voraus, dass ein Kind "Längere Zeit" in der Pflegefamilie zugebracht hat. Dieses Tatbestandsmerkmal, das nicht absolut, sondern kinderpsychologisch zu verstehen ist, ist unzweifelhaft zu bejahen. Entscheidend für die Frage der Verbleibensanordnung ist mithin, ob durch die Wegnahme von der Pflegeperson das Kindeswohl gefährdet würde (~ 1632 Abs. 4 BGB). Das ist gegenwärtig der Fall.
Bei der vorzunehmenden Auslegung der Voraussetzung für die Verbleibensanordnung (,'wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde") ist nach der ständigen Rspr. des BVerfG (zuletzt FamRZ 2005, S. 783f.) sowohl dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 8. 1 GG als auch der Gründrechtsposition des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie schließlich auch dem Grundrecht der Pflegefamilie aus Art. 6 Abs. 1 und 3 Rechnung zu tragen. Dabei berührt die hier in Rede stehende Aufrechterhaltung der Trennung eines Kindes von seinen Eltern - auch im Hinblick auf die dadurch nahe liegende Manifestation seiner Lebensumstände für die Zukunft - den Schutzbereich des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG in ebenso intensivster Weise wie eine erstmalige Trennung (OLG Karlsruhe, FPR 2004, 8. 476). Gleichwohl ist im Rahmen der erforderlichen Abwägung das Wohl des Kindes letztlich entscheidend (BVerfG, a.a.O., FamRZ 2000, 8. 1489). Dabei kommt es vor allem auf die Tragweite der Trennung des Kindes von der Pflegefamilie und auf die Erziehungsfähigkeit der leiblichen Eltern im Hinblick auf ihre Eignung an, die negativen Folgen einer eventuellen Traumatisierung des Kindes gering zu halten (BVerfG a.a.O.).
Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Rückführung bereits dann ausscheidet, wenn mit ihr seelische Belastungen für das Pflegekind verbunden sind: Auch wenn die Trennung von seiner unmittelbaren Bezugsperson für das Kind regelmäßig eine erhebliche psychische Belastung bedeutet und mit einem schwer bestimmbaren Zukunftsrisiko verbunden ist, darf dies allein nicht genügen, die Herausgabe des Kindes zu verweigern, weil andernfalls die Zusammenführung von Kind und Eltern immer dann ausgeschlossen wäre, wenn das Kind seine "sozialen Eltern" gefunden hätte. Mit Blick auf das betroffene Kindeswohl ist vielmehr danach zu differenzieren, ob das Kind von der Pflegefamilie in den Haushalt seiner Eltern bzw. eines Elternteils oder in andere Pflegestelle wechseln soll. Im zuerst genannten Fall ist "die Risikogrenze generell weiter zu ziehen", wohingegen bei letzterer Konstellation mit hinreichender Sicherheit eine Gefährdung des Kindeswohls ausgeschlossen sein muss (BverfGE 75, 201ff.).
Auch unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe, namentlich der hier "weiter zu ziehenden Risikogrenze", ergibt sich jedenfalls aufgrund der überzeugenden schriftlichen und mündlichen Ausführungen der Dipl-Psychologin I, die dem Senat seit Jahren aus einer Vielzahl von Verfahren als besonders gründlich und fachkundig bekannt ist, dass die Kinder bei den Pflegeeltern verbleiben müssen, weil bei ihnen mit einer Rückkehr in die Obhut der Mutter und dem dadurch eintretenden neuerlichen Bindungsabbruch im Kleinkindalter die Gefahr schwerer psychischer Schädigungen, namentlich der späteren Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen und Störungen in der Bindungsfähigkeit und -bereitschaft, besteht. Diese Gefahr wiegt in Anbetracht der Vorschädigungen vor allem bei C und der Unfähigkeit der Kindesmutter, die besonderen Bedürfnisse beider Kinder erkennen und sich darauf einlassen zu können, so schwer, dass das Elternrecht der Beschwerdeführerin dahinter zurückstehen muss. Dies gilt auch in Anbetracht des Umstandes, dass durch die Verbleibensanordnung eine weitere Gewöhnung der Kinder an ihre Pflegeeltern eintritt, die einer späteren Rückführung entgegenstehen und möglicherweise zu einem endgültigen Verbleib in der Pflegefamilie führen kann. Im Einzelnen:
1.2
Jedenfalls C ist durch den bereits erlittenen Bindungsabbruch im Frühjahr 2005 wie auch durch das weithin unerfüllt gebliebene Verlangen nach stabiler emotionaler Zuwendung erheblich vorgeschädigt. Verhaltensauffälligkeiten des Kindes, die sich daraus ergeben, sind auch heute noch vorhanden. C hat zwar unter der intensiven und fachkompetenten Förderung seitens der Pflegeeltern und der von ihnen mobilisierten Hilfen einen Entwicklungssprung getan, verbleibt aber als vorgeschädigtes Kind im Kontakt zu seiner Umwelt, die er argwöhnisch beobachtet, ständig "auf der Hut". Dabei ist er leicht irritierbar. Nach dem plausiblen und überzeugenden Urteil der Sachverständigen I stellt seine lmpulsivität "täglich neue Herausforderungen" an die Erziehenden. Ferner ist bei ihm eine emotionale Instabilität bemerkbar, so dass er in seiner Gesamtentwicklung als "empfindlich störbar" anzusehen ist. Trotz der günstigen Voraussetzungen im Haushalt der Pflegeeltern befindet er sich derzeit noch nicht in einer stabilen emotionalen Ausgeglichenheit. Es ist vor diesem Hintergrund zu erwarten, dass er auf eine Umgewöhnung, wie er sie im Falle einer Rückführung zu bewältigen hat, mit hartnäckigen und ungewöhnlich heftigen Reaktionen antworten wird, die nach entsprechender erzieherischer Kompetenz der Bezugspersonen verlangt.
Wenngleich sich S demgegenüber nach Einschätzung der Sachverständigen in allen relevanten Bereichen in einem guten Entwicklungszustand befindet, benötigt sie neben dem lebhaften Bruder verstärkte Berücksichtigung, um der Gefahr einer Schwächung des Selbstwertgefühls zu begegnen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sie zwar durch die Situation bis zur Aufnahme in die Pflegefamilie weniger vorbelastet ist als ihr Bruder, jedoch ebenfalls durch die frühen Beunruhigungen und eine schwache Bindungserfahrung im Verhältnis zur Mutter geprägt ist.
Bei C und S gilt gleichermaßen, dass eine Rückkehr zur Mutter auch im Falle einer "großzügigen" Phase der Umgewöhnung letztlich mit einem neuerlichen Bindungsabbruch verbunden ist, der angesichts der Vorgeschichte der Kinder bereits für sich betrachtet eine gesteigerte Gefährdung des Kindeswohls bedeutet, die sich bei S voraussichtlich in einer nachhaltigen Verunsicherung sowie in einer Hemmung auch der geistigen Entwicklung infolge des Verlusts der jetzt entwickelten Vertrauensbasis auswirkte. Bei dem gravierend vorgeschädigten C träte infolge der Rückführung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schwerwiegende Schädigung in seiner seelischen Entwicklung im Sinne der Ausbildung von Persönlichkeitsstörungen ein.
1.3
Die Kindesmutter ist nicht in der Lage, allein oder unter Inanspruchnahme der verfügbaren Hilfen nach dem SGB VIII oder aus dem familiären Umfeld die mit einer Rückführung verbundenen Gefahren für die Kinder hinlänglich sicher abzuwenden. Auch insoweit folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen I.
1.3.1
Bei der Beschwerdeführerin liegt zum einen nach wie vor eine Suchterkrankung vor,. die zu keinem Zeitpunkt adäquat behandelt oder gar erfolgreich therapiert worden ist.
Diese Abhängigkeit ist durch eine Vielzahl von Umständen belegt, u.a. durch die Beobachtungen der Mitarbeiterinnen des Frauenhauses in J (s. Bericht der Frau Q vom 23.03.2005 - BI. 1 32f.), wonach die Beschwerdeführerin jedenfalls während ihres Aufenthalts im Frühjahr 2005 regelmäßig Alkohol in erheblichen Mengen (insbesondere Bier aus Flaschen) neben Schmerzmitteln zu sich nahm, wie sie im Übrigen auch selbst nicht in Abrede stellt. Abgesehen davon bestreitet die Beschwerdeführerin auch nicht, zumindest phasenweise um das Jahr 1998 herum während geraumer Zeit übermäßig Alkohol getrunken zu haben. Dem entspricht es, dass sie noch im Hilfeplangespräch vom 25.07.2005 im Jugendamt der Stadt J eingeräumt hat, "vorher ein Alkoholproblem" gehabt zu haben. In diesem Gespräch hat auch die sie behandelnde Psychologin der Frauen- und Mädchenberatungsstelle des ZfB in J, Frau O, das "Anerkennen der Suchtproblematik" als den nächsten Schritt im therapeutischen Gespräch bezeichnet. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die von der Sachverständigen zitierten Arztbriefe aus den Jahren 1994 sowie 2002 -2005, die fremdanamnestisch (langjährigen) Alkoholabusus bzw. Alkohol- oder Drogenabhängigkeit erwähnen, tatsächlich die Beschwerdeführerin betrafen oder aus sonstigen Gründen unzutreffend sind, wie sie behauptet; gleichfalls ist es unerheblich, in welchen Mengen sie in den letzten Jahren sowie während der Partnerschaft mit T2 Alkohol konsumiert hat.
Dass diese Abhängigkeit nicht angemessen therapiert worden ist, ergibt sich ebenfalls aus der eigenen Darstellung der Beschwerdeführerin. Ihre Auffassung, der Hilfe Dritter nicht zu bedürfen und insofern Herr über ihren Alkoholkonsum zu sein, als sie stets spätestens dann aufhöre zu trinken, wenn sie eine Berauschung wahrnehme, stellt allenfalls eine instabile Bewältigung der Sucht dar, wie die Sachverständige nachvollziehbar darlegt. Die damit verbundene Selbstüberschätzung der Beschwerdeführerin zeigt vielmehr, dass ihr das notwendige Instrumentarium zur Bewältigung erneut auftretender Krisensituationen, zu dem auch die Inanspruchnahme qualifizierter Dritter gehört, fehlt.
Da eine Rückführung der Kinder in ihre Obhut notwendigerweise über einen langen Zeitraum hinweg mit gesteigerten physischen und psychischen Anforderungen an sie verbunden ist, besteht angesichts dieser Instabilität die akute Gefahr einer sich über kurz oder lang einstellenden Krise, die die Beschwerdeführerin wieder vermehrt und im Übermaß zum Alkohol greifen lässt. Damit käme es erneut zu einer Vernachlässigung der Kinder jedenfalls in ihrer emotionalen Versorgung. Defizite in dieser Hinsicht träfen sie indes angesichts ihres erhöhten Bedürfnisses nach einer liebevollen und verlässlichen Umgebung in besonders fataler Weise.
1.3.2
Zum anderen ist die Beschwerdeführerin auch jenseits der bestehenden Abhängigkeit aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur nicht in der Lage, die Bedürfnisse ihrer Kinder angemessen und verantwortungsvoll wahrzunehmen. Auch insoweit folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen I. Bereits gegenüber ihrem ältesten Sohn E ließ sie es zu einem faktischen Beziehungsabbruch kommen, für den sie bis heute die Schuld bei ihm sucht, ohne ihr eigenes Verhalten auch nur im Ansatz kritisch zu hinterfragen. Ihr Verhalten zumindest während der letzten Monate des Zusammenlebens mit dem Vater C und S ist ebenfalls von der ausschließlichen Sicht auf die eigenen Bedürfnisse geprägt. In dieser für die Beschwerdeführerin durchaus objektiv bedrängenden Situation war es ihr trotz der zumindest bis Ende 2004 bestehenden Gelegenheiten, aus dem gewaltgeprägten Zusammenleben zu fliehen, nicht möglich, die elementaren Bedürfnisse der Kinder nach einer verlässlichen und kontinuierlichen Versorgung wahrzunehmen und diesen Bedürfnissen ausreichend nachzukommen. Gegenüber den von den Kindern vor ihrer Aufnahme in die Pflegefamilie ausgehenden "Alarmsignalen", namentlich der Distanzlosigkeit bei C und der Apathie S, blieb sie taub. Die zweifellos vorhandenen körperlichen Verletzungen und Erkrankungen der Beschwerdeführerin bieten für sich allein keine ausreichende Erklärung für diese Unzulänglichkeiten, weil sie ein vorhandenes mütterliches Sensorium für diese Bedürfnisse der Kinder nicht nachhaltig zu trüben oder gar auszuschalten vermocht hätten.
Die Unzulänglichkeit der Beschwerdeführerin in der Wahrnehmung und Befriedigung der emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder hat sich schließlich auch im Verlauf der bisherigen Umgangskontakte während des Verfahrens gezeigt. Wenngleich diese bislang 35 Kontakte außerhalb der häuslichen Umgebung der Kinder sowie in Gegenwart weiterer Personen stattfanden, hätte jedenfalls nach einiger Zeit aufgrund der sich einstellenden Routine eine geeignete Basis für die Entstehung einer neuen Bindung der Kinder an die Mutter entstehen können. Das ist bislang jedoch nicht der Fall gewesen:
Trotz ihrer bestehenden Zuneigung zu den Kindern und ihrem Interesse an der Wahrnehmung und Gestaltung der Kontakte ist die Beschwerdeführerin weder in der Lage, C die notwendigen Grenzen zu setzen, noch kann sie neben der Beschäftigung mit ihm die elementaren emotionalen Bedürfnisse ihrer Tochter S befriedigen.
Auch insoweit folgt der Senat den Beobachtungen und überzeugenden Schlussfolgerungen der Sachverständigen I, die sich überdies auch in dieser Hinsicht widerspruchslos mit den etwa sechs Monate früher gewonnenen Erkenntnissen der Dipl.-Psychologin L2 zu den Defiziten der Beschwerdeführerin im Umgang mit den Kindern vereinbaren lassen.
Zusammenfassend verfügt die Beschwerdeführerin danach nicht über die besonderen Erziehungsfähigkeiten, die hier erforderlich sind, um die infolge eines jetzigen Bindungsabbruchs für die Kinder drohenden gravierenden Schäden aufzufangen oder spürbar abzumildern, so dass die Rückführung beider Kinder oder auch nur eines von ihnen derzeit nicht verantwortet werden kann.
1.4
Auch die Inanspruchnahme öffentlicher oder privater Hilfen ist nicht geeignet, den Gefahren, die den Kindern angesichts ihrer besonderen Empfindlichkeit für einen neuerlichen Beziehungsabbruch bzw. durch eine unzulängliche emotionale Versorgung in der Obhut der Mutter drohen, hinlänglich verlässlich zu begegnen. Dies folgt bereits daraus, dass Hilfen nach dem 5GB VIII nur stundenweise zur Verfügung stehen. Überdies teilt der Senat die Befürchtung der Sachverständigen I, dass die Beschwerdeführerin sich aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur sowie der unzureichend aufgearbeiteten Abhängigkeitsproblematik bei kritischen Rückmeldungen seitens der Helfer innerlich abgrenzt und damit die notwendige nachhaltige Kooperationsbereitschaft nicht aufbringt.
Dass die Kindesmutter im Übrigen aus dem verwandschaftlichen Umfeld über verlässliche und kompetente Hilfestellung verfügt, ist nicht ersichtlich. Soweit sie sich auf die Hilfsbereitschaft ihrer eigenen Mutter beruft, ist nicht ersichtlich, wie dadurch ihre suchtbedingte Instabilität wie auch die Defizite in der Wahrnehmung und Befriedigung der emotionalen und erzieherischen Bedürfnisse der Kinder dauerhaft ausgeglichen werden können. Abgesehen davon, dass die Mutter der Beschwerdeführerin für die Kinder keine Bindungsperson darstellt, fehlt es ihr offensichtlich ebenfalls an dem notwendigen verlässlichen Blick für deren Belange. Nur so ist zu erklären, dass sie nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Interesse ihrer Enkel Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Situation ergriff.
1.5
Die Pflegeeltern sind geeignet, die schwierige Erziehungsaufgabe, insbesondere bei C, zu übernehmen. Sie haben bislang in vorbildlicher Weise für beide Kinder gesorgt, und zwar sowohl mit dem notwendigen emotionalen Einsatz als auch unter Inanspruchnahme aller therapeutischen Hilfestellungen.
1.6
Der Senat hat von einer Anhörung der Kinder nach § 50 b Abs. 1 FGG Abstand genommen. Eine solche Anhörung ist unter dem Aspekt der Gewährung rechtlichen Gehörs sinnlos, weil sich die Kinder angesichts ihres geringen Alters zur Problematik einer Rückkehr zur Beschwerdeführerin nicht verständig äußern können. Die Anhörung ist im Übrigen auch nicht aus Gründen der weiteren Sachaufklärung (§ 12 FGG) geboten, weil feststeht, dass sich C und S in einem guten äußerlichen Zustand befinden und bei den Pflegeeltern wohlfühlen. Vielmehr birgt eine Anhörung die Gefahr einer weiteren Verunsicherung der Kinder, die sie in ihrer Entwicklung zurückwerfen kann.
2.
Aus der Notwendigkeit, den Verbleib der Kinder in der Pflegefamilie anzuordnen, folgt zugleich, dass der Herausgabeantrag der Kindesmutter keinen Erfolg hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 5. 1 FGG.
Von der Erhebung von Gerichtskosten für die Beschwerdeinstanz ist abzusehen (§ 94 Abs. 3 5. 2, 2. Halbs. KostO), weil dies in Anbetracht der zunächst bestehenden Ungewissheit über die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels der Billigkeit entspricht.
Ende der Entscheidung
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